Arbeit mit potentiell tatausübenden Personen

Therapeutische Unterstützung für eine Person.

© Therapeutische Unterstützung für eine Person.

In der öffentlichen Wahrnehmung wird die Verantwortung für die Verübung sexualisierter Gewalt häufig pädophilen (männlichen) Personen zugeschrieben. Tatsächlich ist der Anteil pädophiler Täter an allen Fällen sexueller Gewalt jedoch deutlich geringer als vielfach angenommen. Forschungsergebnisse aus Deutschland und dem internationalen Raum zeigen: Bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder liegt der Anteil pädophiler Personen, so genannter „Präferenztäter“, – je nach Studie – lediglich bei etwa 20 bis 40 Prozent. Das bedeutet im Umkehrschluss: Die Mehrheit der Taten wird von Menschen begangen, die keine pädophile Präferenz haben, sondern aus anderen Gründen übergriffig werden. Entscheidend ist: Eine sexuelle Präferenz führt nicht zwangsläufig zu einer Straftat.

Pädophilie beschreibt eine Störung der Sexualpräferenz mit dem Fokus auf das kindliche Körperschema vor dem Einsetzen der Pubertät. Hebephilie beschreibt die Störung der Sexualpräferenz mit dem Fokus auf (pubertierende) Jugendliche. Diese gilt aber nicht als Sexualstörung im Sinne einer eigenständigen diagnostischen Kategorie. Pädophilie ist eine stabile sexuelle Präferenz, aber kein automatischer Indikator für kriminelles Verhalten. Wissenschaftlich wird davon ausgegangen, dass etwa ein Drittel dieser Personen ihre Präferenz niemals auslebt. Ein weiteres Drittel ringt mit der Orientierung und sucht Unterstützung, um keine Grenzen zu überschreiten. Das letzte Drittel sind die, die bewusst über gesetzliche und moralische Grenzen hinweggehen.

Wichtig ist deshalb eine präzise Sprache: Nicht alle Menschen mit einer pädophilen oder hebephilen Orientierung sind Täter – und nicht alle Täter sind pädophil oder hebephil. Hier sollte differenziert von Menschen gesprochen werden, die sexualisierte Gewalt ausüben, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und ihrem Geschlecht.

Nicht-Präferenztäter oder so genannte Ersatzhandlungstäter begehen sexuelle Übergriffe auf Kinder und/oder Jugendliche aus vielfältigen Gründen. Diese reichen von Machtmissbrauch bis hin zu fehlender Impulskontrolle oder emotionaler Unreife. Nie aber liegt diesen das Vorhandensein einer pädophilen oder hebephilen Präferenz zugrunde.

Warum ist die Arbeit mit potentiell tatausübenden Personen wichtig?

Täterinnen- und Täterarbeit ist Kinderschutz.

Problembewusste Menschen mit pädo- oder hebephiler Neigung oder Menschen, die aus anderen Gründen den Gedanken haben, Kindern oder Jugendlichen sexuelle Gewalt anzutun, können über die verschiedenen Angebote für potentiell tatausübende Personen in Baden-Württemberg Hilfe finden, bevor sie eine Gewalttat begehen oder rückfällig werden. Auf diese Weise können sexuelle Übergriffe und Gewalttaten auf Kinder und Jugendliche verhindert und der Konsum von kinder- und/oder jugendpornographischem Material reduziert werden.

Welche Hilfsangebote und Beratungsstellen gibt es in Baden-Württemberg?

Deutschlandweit gibt es das Präventionsnetzwerk „kein Täter werden“, welches 2005 als Pilotprojekt am Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin an der Charité – Universitätsmedizin in Berlin ins Leben gerufen wurde und seitdem in Deutschland und der Schweiz etabliert wurde. Zielgruppe dieses Angebots sind Menschen mit pädophiler und/oder hebephiler Präferenz, die keine Übergriffe begehen wollen. Dieses therapeutische Unterstützungsangebot ist kostenfrei, unter Schweigepflicht und kann anonym in Anspruch genommen werden. Der Standort Ulm ist in der Universitätsklinik, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie angesiedelt und Teil des so genannten Beratungs- und Behandlungsverbunds Baden-Württemberg, der um die möglichst flächendeckende Betreuung von potentiell tatausübenden Personen bemüht ist. Dieser besteht zudem aus der PräventSozial Justiznahe Soziale Dienste gemeinnützige GmbH sowie der Behandlungsinitiative Opferschutz e.V. (BIOS-BW). Das Angebot wird außerdem durch die Präventionsambulanz für Gewalt- und Sexualdelinquenz der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Tübingen ergänzt. Die Kontaktadressen und Ansprechpartner finden Sie auch auf unserer Landkarte der Anlaufstellen.

Warum sind die Begriffe „tatgeneigt“ oder „Tatgeneigter“ problematisch und sollten vermieden werden?

Im juristischen und teilweise auch im umgangssprachlichen Sprachgebrauch taucht in bestimmten Zusammenhängen die Begriffskombination „tatgeneigte Person(en)“ auf. Auf den ersten Blick erscheint der Begriff „Tatgeneigter“ oder „tatgeneigte Person“ unscheinbar – historisch betrachtet ist er jedoch hochproblematisch. Denn er ist eng verknüpft mit der Gen-Ideologie des Nationalsozialismus. Die Begriffskombination wurde um 1933 von den Nationalsozialisten eingeführt. Sie steht für deren falsche und wissenschaftlich widerlegte Grundannahmen über genetische Veranlagung zu „abweichendem Verhalten“ – konkret: zur Delinquenz. In diesem ideologischen Kontext ist die Begrifflichkeit als hochproblematisch und gefährlich einzustufen.

Leider ist diese historische Bedeutung im Laufe der Jahrzehnte in Vergessenheit geraten und wird – wenn auch zumeist unbeabsichtigt – nicht mehr mit ihrer ursprünglichen ideologischen Aufladung in Verbindung gebracht. Heutigem Gebrauch ist daher keinesfalls zu unterstellen, die Begriffe im Sinne der NS-Ideologie zu verwenden. Allerdings befinden wir uns aktuell in einem gesellschaftlichen Klima, in dem sich rechtsextreme Akteurinnen und Akteure zunehmend tradierter Begriffe und Denkfiguren aus dem Nationalsozialismus bedienen. Ziel ist es, diese Begriffe (wieder) einzuführen oder zu normalisieren, um damit verbundene Ideologien schleichend salonfähig zu machen. Umso wichtiger ist ein achtsamer und reflektierter Umgang mit Sprache und den Tausch des Begriffs in unserem Bereich/Angebot.

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Stand by me – Sexualisierte Gewalt unter Jugendlichen

Zielgruppe: Menschen, die mit Jugendlichen arbeiten

15.09.2025 – 15.09.2025
Schwäbisch Hall
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BIOS-Akademie Abendvorträge zum Thema Opferschutz

Zielgruppe: Justiz, Öffentliche Institutionen, Politik, Einrichtungen zur Kriminalitätsbekämpfung, Gesundheitswesen, Einrichtungen mit Schwerpunkt Psychologie/Psychotherapie, Soziale Organisationen, Bildungsanbieter und Ärzteschaft.

26.06.2025 – 27.11.2025
Karlsruhe
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Forensische Psychotherapie mit Schwerpunkt Deliktorientierte Therapie

Zielgruppe: Psychologische Psychotherapeuten*innen, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten*innen, Fachärzte*innen (Psychiatrie, Psychosomatik), Rechtspsychologen*innen, Kiminalpsychologen*innen, Forensische Psychologen*innen, Sozialarbeiter*innen, und weitere Interessierte

Keine festen Termine
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