Justiz
Innerhalb der Justiz spielen besonders Familiengerichte eine zentrale Rolle im Kinderschutz. Familiengerichte sind spezielle Abteilungen bei den Amtsgerichten, die für das Kindeswohl notwendige Maßnahmen ergreifen können. Zeitgleich stellt auch der Kinderschutz einen wichtigen Fokus der Arbeit der Familiengerichte dar, insbesondere in Verfahren bezüglich der elterlichen Sorge und des Umgangsrechts. Den genauen Ablauf und die Besonderheiten der einzelnen Verfahren regelt das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG).
Familiengerichte müssen stets die Rechte der Eltern und die Bedürfnisse des Kindes abwägen und arbeiten dabei eng mit anderen Akteuren des Kinderschutzes, insbesondere mit Jugendämtern und Sachverständigen, zusammen, um das Wohl des Kindes zu sichern.
Die Zusammenarbeit mit den Jugendämtern und anderen Akteuren erfolgt nach gesetzlichen Maßgaben. Deren konkrete Ausgestaltung hängt jedoch von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, sodass es keine allgemeingültige Regel gibt, wie eine Fachkraft ein Familiengericht am besten kontaktiert. Der folgende allgemeine Überblick über die Arbeit von Familiengerichten dient zur Orientierung:
Wer kann das Familiengericht informieren?
Bei einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung ist in erster Linie das Jugendamt berechtigt und im Ernstfall sogar verpflichtet, das Familiengericht anzurufen (§ 8a Absatz 2 SGB VIII; Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung).
Daneben können sich aber auch andere Stellen oder Personen, darunter die Eltern oder Kinder selbst, Vormünder und Fachkräfte des Allgemeinen Sozialen Dienstes, direkt an das Familiengericht wenden.
Wann sollte das Familiengericht informiert werden?
Erste Anlaufstelle für alle Anliegen das Kindeswohl betreffend sollte stets das zuständige Jugendamt sein, das berät oder an Beratungsstellen weitervermittelt. Dies ist für bestimmte Stellen gesetzlich geregelt (beispielsweise für freie Träger, § 8a Absatz 4 SGB VIII). Erst wenn dadurch keine Verbesserung erzielt werden kann, sollte das Familiengericht kontaktiert werden. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen der Verdacht einer Kindeswohlgefährdung im Raum steht, oder wenn eine Einigung zwischen den Eltern über Umgangs- oder Sorgerechtsfragen nicht gelingt.
Das Jugendamt ist unter den gesetzlichen Voraussetzungen des § 8a Absatz 2 Satz 1 SGB VIII berechtigt und im Ernstfall verpflichtet, das örtlich zuständige Familiengericht anzurufen. Dies geschieht, wenn eine Kindeswohlgefährdung vorliegt und sich die Eltern nicht zur Mitarbeit bereiterklären oder hierfür nicht die nötige Gewähr bieten. Dies gilt darüber hinaus, wenn die Erziehungsberechtigten nicht bereit oder in der Lage sind, bei der Einschätzung des Gefährdungsrisikos im Vorfeld einer festzustellenden Kindeswohlgefährdung mitzuwirken. Im letzteren Fall ist das Familiengericht gemäß § 157 FamFG zur Erörterung einer möglichen Kindeswohlgefährdung verpflichtet.
Wie kann das zuständige Familiengericht informiert werden?
Die Zuständigkeit der Familiengerichte richtet sich dabei nach verschiedenen Vorschriften des Verfahrensrechts, meist ist das Amtsgericht am Wohnsitz der gemeinsamen Kinder zuständig. Das örtlich zuständige Familiengericht kann unter anderem über die Seite des Elternkonsens ermittelt werden.
Die Kontaktaufnahme zum Familiengericht sollte in aller Regel schriftlich erfolgen. Bei einigen der Amtsgerichte in Baden-Württemberg kann die Rechtsantragstelle bei der schriftlichen Formulierung gerichtlicher Anträge, soweit kein Anwaltszwang besteht, und beim Ausfüllen gerichtlicher Formulare unterstützen.
Welche Person das Verfahren beim Familiengericht führt, richtet sich nach dem sogenannten Geschäftsverteilungsplan des Gerichts.
Auf welche Weise erfolgt eine Mitwirkung im
familiengerichtlichen Verfahren?
Das Gericht hat die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen (§ 26 FamFG). Es entscheidet je nach Verfahren, welche Personen in welcher Form zu beteiligen sind. In der Regel zählen dazu neben den Eltern und Kindern das Jugendamt, Verfahrensbeistände und manchmal auch Sachverständige.
Für das Jugendamt gibt es gesetzliche Sonderregeln über die Mitwirkung. In Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, muss das Gericht das Jugendamt anhören (§ 162 Absatz 1 FamFG). In Kindeswohlgefährdungsverfahren ist es immer, in allen anderen Kindschaftsverfahren auf Antrag hin zu beteiligen (§ 162 Absatz 2 FamFG). Auf Seiten des Jugendamtes besteht die Verpflichtung, das Familiengericht bei allen Maßnahmen, die die Sorge für die Person von Kindern und Jugendlichen betreffen, zu unterstützen (§ 50 Absatz 1 Satz 1 SGB VIII). Dies erfolgt in der Regel durch Stellungnahmen und Empfehlungen sowie Teilnahme an Terminen.
Welche Verfahren im Kinderschutz werden vor
Familiengerichten geführt?
Familiengerichte sind in Deutschland für verschiedene Verfahren im Bereich des Kinderschutzes zuständig. Diese Verfahren zielen darauf ab, das Wohl des Kindes zu sichern und Gefährdungen abzuwenden. Die wichtigsten Verfahren sind:
Verfahren bei Kindeswohlgefährdung:
Ist das Wohl eines Kindes gefährdet, kann das Familiengericht Maßnahmen zu seinem Schutz ergreifen (§§ 1666, 1666a BGB). Maßnahmen können von der Anordnung von Hilfen bis hin zur Entziehung der elterlichen Sorge reichen, wobei deren Anordnung im Einzelfall geeignet, erforderlich und angemessen sein muss. In Betracht kommen insbesondere
- Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
- Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
- Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
- Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
- die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
- die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.
In dringenden Fällen kann das Familiengericht diese Schutzmaßnahmen auch im Wege einer einstweiligen Anordnung erlassen.
Praxishinweis: Sollten Personen im beruflichen oder privaten Kontext Anhaltspunkte für eine mögliche Gefährdung des Wohlergehens von Kindern feststellen, ist es ratsam, diese Informationen dem entsprechenden Jugendamt zu übermitteln. Das Jugendamt kann dann bewerten, ob eigenständige Maßnahmen erforderlich sind und/oder ob es notwendig ist, das Familiengericht einzuschalten.
Verfahren zum Sorgerecht der Eltern:
In Sorgerechtsverfahren kann das Familiengericht eine Vielzahl von Entscheidungen treffen, die sich auf das Wohl des Kindes und die elterliche Sorge beziehen. Insbesondere kann das Gericht bei Uneinigkeit der Eltern
- die elterliche Sorge ganz oder teilweise auf einen Elternteil alleine übertragen, beispielsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht bei Streit über den Lebensmittelpunkt des Kindes (§ 1671 BGB),
- die gemeinsame elterliche Sorge bei unverheirateten Elternpaaren anordnen (§ 1626a BGB),
- die Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil für eine konkrete Angelegenheit übertragen, beispielsweise bzgl. Schulwahl oder medizinischer Eingriffe (§ 1628 BGB).
Verfahren zum Umgangsrecht:
Das Familiengericht kann außerdem Entscheidungen treffen über die Ausgestaltung und Durchsetzung des Umgangsrechts, also des Rechts auf Kontakt zwischen einem Elternteil und dem Kind unabhängig vom Sorgerecht. Wenn dies zum Schutz des Kindes erforderlich ist, kann das Gericht das Umgangsrecht eines Elternteils einschränken oder ausschließen (§ 1684 Absatz 4 BGB). Dies kann auch die Anordnung eines begleiteten Umgangs umfassen, bei dem ein Dritter anwesend ist.
Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz:
Auch in Gewaltschutzsachen nach dem Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz – GewSchG) ist der Kinderschutz ein zentraler Aspekt, insbesondere, wenn Kinder im Haushalt der betroffenen Personen leben.
Das Familiengericht kann nach § 1 GewSchG die zur Abwendung weiterer Verletzungen erforderlichen Maßnahmen treffen, wenn eine Person vorsätzlich den Körper, die Gesundheit, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person widerrechtlich verletzt hat. Dies gilt entsprechend für bestimmte Bedrohungen oder unzumutbare Belästigungen. Das Gericht kann insbesondere anordnen, dass der Täter es unterlässt,
- die Wohnung der verletzten Person zu betreten,
- sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung der verletzten Person aufzuhalten,
- zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich die verletzte Person regelmäßig aufhält,
- Verbindung zur verletzten Person, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen,
- Zusammentreffen mit der verletzten Person herbeizuführen.
Darüber hinaus kann das Familiengericht auch für eine bestimmte Zeit die alleinige Nutzung einer bisher gemeinsam genutzten Wohnung anordnen (§ 2 GewSchG). In dringenden Fällen ist es möglich, im Rahmen einstweiliger Anordnungen vorläufige Regelungen zu treffen, um die verletzte Person zu schützen.
Diese Schutzanordnungen betreffen Kinder in der Regel nicht direkt, sondern greifen mittelbar über den Schutz des gewaltbetroffenen sorgeberechtigten Elternteils. Im Verhältnis zu den Sorgeberechtigten wird der Kinderschutz nicht über das GewSchG, sondern im Wege familiengerichtlicher Anordnungen bei Kindeswohlgefährdung (§§ 1666, 1666a BGB) gewährleistet (§ 3 GewSchG).
Alles Wichtige auf einen Blick
Weitere Informationen
aus den Fachbereichen
Kinderschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Auf dieser Seite wurde Ihnen die Arbeit aus dem Fachbereich Justiz vorgestellt. Weiter finden Sie gebündelt die Informationen aus den Bereichen Gesundheit, Kinder- und Jugendhilfe, Polizei und Schule.